Freitag, 26. November 2021
Notizen 2
Faustregel: Wer im Gestus der Anklage moralische Selbstverständlichkeiten abfordert, lügt immer. "Unverschämtheit" scheint eine argumentationstheoretische Kategorie zu sein.

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Faustregel 2: Linke sollten nicht den Fehler begehen, Wahrheiten liegen zu lassen, weil man sie rechts am Wegrand gefunden hat. (geklaut; ich meine bei Ernst Bloch)

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Faustregel 3: Die unwohlwollende Interpretation war für mich immer Ausweis intellektueller Unredlichkeit.

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Warum ist die Fallunterscheidung zwischen mondo naturale und mondo civile, also zwischen Natur (es ist wie es ist) und Kultur (es ist menschengemacht) so schwer zu verstehen? Die beiden Altmeister Bacon und Vico haben es doch eigentlich in wünschenswerter Klarheit dargestellt... Wer diese Fallunterscheidung aufheben oder zumindest für irrelevant erklären will, sollte dies argumentativ ausweisen. (Es geht übrigens nicht um Wissen, nicht um die gesellschaftliche Organisation von Wissen im Sinne des großartigen Berger/Luckmannschen Soziologie-Klassikers "Die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit", 1966. Dass auch Naturwissenschaft menschengemacht ist, ist trivial. In diesem Sinne gilt: Der Konstruktivismus ist erstens richtig und zweitens trivial richtig. Diesen trivialen und unproblematischen Sinn von Konstruktivismus meint der radikale Konstruktivist aber nicht. Er bestreitet, was Berger-Luckmann als "äußere, physische Welt" schlicht voraussetzen.)

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noch mal Uwe Steinhoff. Respekt. Ich habe da die Ruhe nicht mehr weg. Und ja: Es gibt - "Folgt der Wissenschaft!" - biologisch genau zwei Geschlechter, punkt. Wer etwas anderes behauptet, will eine Lyssenko-Biologie etablieren. Das ist intellektuell schon erbärmlich, was da abgeht. Was wir kulturell daraus machen ist dann eine ganz andere Frage, aber biologisch gibt es nur zwei Arten von Keimzellen und also genau zwei Geschlechter. Ansonsten verweise ich auf die erste Faustregel oben.

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Ein Notarzt berichtet mir: Notarzteinsatz mit Hubi (Hubschrauber). Luftnot. Natürlich Covid19. Die gesamte Familie ist ungeimpft. Als ein Krankenpfleger fragt, warum denn: Impfen sei schädlich, das stünde so auf russia today, da informiere man sich. Die Tochter schoß dann den Vogel ab: Sie habe hier gerade einen Test gemacht, der sei "aber nur ein bisschen positiv".
#kannstenicherfinden

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Ich bin Ihrem Link gefolgt und fand den Artikel von Steinhoff etwas fragwürdig. Erstens an der Stelle, wo er die Tatsache, dass es unter Menschen (wenn auch sehr selten) Zwitter gibt, schlichtweg als "zweifelhaft" in Frage stellt. Zweitens ist sein Definitionsvorschlag dafür, was männlich und weiblich zu nennen ist, zwar meines Erachtens vernünftig, fußt aber keineswegs allein auf biologischen Tatsachen: Er sieht als Frauen Menschen mit Körpern, die Eizellen produzieren, als Männer Körper von Menschen, die Samenzellen produzieren. Übrig bleiben dann die Menschen, die weder das eine noch das andere (oder gar beides) tun. Hier schlägt er vor zu gucken, ob die Körper in die eine oder andere Richtung "ausgerichtet" sind. Das ist aber eine kulturelle Festlegung, die man so oder auch anders treffen kann. Und wir wissen ja, dass wissenschaftlich Unsinniges kulturell durchaus sinnvoll sein kann, wie Sie oben ja auch andeuten. Vielleicht ist eine "weiche" Herangehensweise dabei sinnvoll, nämlich einigen wenigen Menschen zu erlauben, in einem anderem Geschlecht herumzulaufen, als sie haben (oder eben in gar keinem), sinnvoller jedenfalls als der kapitalistisch-egoistische Machbarkeitswahn medizinisch unnötiger Geschlechtsumwandlungsoperationen. (Von den medizinisch notwendigen rede ich nicht, die muss es natürlich geben.)

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Hallo

es ist schlicht und ergreifend die derzeitige state-of-the-art Definition von biologischem Geschlecht. Da gibt es ganz genau zwei. Und da gibt es in der Biologie auch gar keine Debatte. Wer das anders haben will, will eine Lyssenko-Biologie etablieren.

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Das bezweifle ich auch nicht, ich gehöre keineswegs zu den Gender-Stalinisten. Aber - das weiß jeder Wissenschaftler - dort, wo man begründetermaßen eine Grenze zwischen zwei Phänomenen zieht, dort entstehen Grenzgebiete, an denen die üblichen Regeln nicht unbedingt gelten. Mir ging es nur darum, diese Grauzonen anzuerkennen, z.B. die Tatsache, dass es Zwittermenschen gibt (wieso das leugnen, es widerspricht doch der Definition von zwei Geschlechtern nicht?)

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leugnet niemand. Echte Zwitter wurden aber bis jetzt noch nicht nachgewiesen.

https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/geschlecht/27664

und wie gesagt: kulturelles Geschlecht? Andere Frage...

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So ist es, Hartmut. Man kann von einem kulturellen Geschlecht sprechen, wenn ein Mann meint, daß er mit dem biologischen Begriff Mann nicht hinreichend beschrieben ist. Aber so wie die Erde nun einmal nicht aus dem Schoß einer Göttin entsprang, auch wenn das ein schöner Mythos und damit eine Metapher oder besser ein Bild für eine ansonsten in Naturwissenschaften zu beschreibenden Vorgang ist, so bleibt biologisch am Ende ein Mann ein Mann und eine Frau eine Frau. Das zeigt sich ja auch schon daran, daß jene Genderaktivisten am Ende nicht per Sprechakt das Geschlecht umdefinieren können, sondern erhebliche operative Eingriffe tätigen müssen, um auf diese Weise eine künstliche Umwandlung des Menschen zu erzeugen.

Teile der Genderwissenschaften, eben jene, die das biologische Geschlecht leugnen, kommen mir inzwischen leider nicht wie Wissenschaftler, sondern wie Earthflater vor. Und wenn in Universitäten angefangen wird, Glaubenssätze als Wissenschaft zu verhandeln, dann gibt es Probleme. So wenig wie Biologen kulturelle Systeme qua Naturalisierung biologistisch erklären können, können Kultur- und Sozialwissenschaftler umstandslos biologische Fakten in Kultur ummoddeln. Und das ändert auch nichts daran, daß auch die Biologie als Wissenschaft (seit den Vorsokratikern und besonders bei Aristoteles) wie überhaupt Wissenschaften auf entgegenkommende Kulturformen angewiesen sind, um sich auszubilden.

Ansonsten würde ich "damals" zustimmen, daß es einige wenige Fälle gibt, wo eine Geschlechtsumwandlung nötig ist. Aber, und das ist ein ganz entscheidender Punkt: nicht bei Jugendlichen. Und gleiches gilt da auch für die Verabreichung von Hormonen. Das grenzt in meinen Augen teils an Kindswohlgefährdung. Hier müssen zudem Psychologien und Psychotherapeuten sehr genau hinschauen. Im Internet gibt es inzwischen leider Anleitungen, wie man das richtige ankreuzt, damit man eine Transidentität zugesprochen bekommt. Auch das ist nicht im Sinne des Erfinders. Zu diesen Fragen auch das Streitgespräch in der ZEIT vom 20. Mai 2020: "Transsexualität: Vom Recht, anders zu sein Es gibt immer mehr transsexuelle Jugendliche. Wie soll man mit dem Wunsch, das Geschlecht zu wechseln, umgehen?"

https://www.zeit.de/2020/22/transsexualitaet-lgtbq-geschlechtswechsel-gender


"Korte: Die Frage ist: Was ist eine Geschlechtsdysphorie überhaupt? Wann liegt eine wirkliche Transsexualität vor? Herr Amelung hat geschildert, dass er von Kindheit an gemerkt hat, dass irgendetwas anders ist. Das sagen rückwirkend tatsächlich fast alle transsexuellen Menschen. Nur gibt es ein Problem: Schwule und Lesben berichten das ebenso. Wir müssen deshalb aufpassen, dass wir mit unseren Behandlungen nicht Homosexualität verhindern zugunsten einer vermeintlichen Transsexualität. Amelung: Auch ich beobachte eine bedenkliche Aufweichung des Begriffs "trans" sowie eine Inflation der sexuellen Identitäten. Sie kennen die Debatte über die vielen neuen Geschlechtsbeschreibungen ? non-binary, queer, pan-gender ? etwa bei Facebook. Das sind mehrere Dutzend. ZEIT: Warum soll das ein Problem sein? Amelung: Jeder kann sich bezeichnen, wie er mag. Gefährlich wird es, wenn es um medizinische Eingriffe geht. Es gibt Menschen, die nicht unter einer Geschlechtsdysphorie leiden, ihr Geschlecht aber dennoch wechseln möchten, samt Hormonbehandlung und Operation. Das ist für mich keine solide Grundlage. Mit der Meinung bin ich in der Transcommunity aber ein Außenseiter. Hier herrscht die Meinung vor, dass, wer sich als trans definiert, dies auch ist und nicht hinterfragt werden soll. [...] Korte: Die Jugendlichen, die in unsere Sprechstunde kommen, sind sich immer zu hundert Prozent sicher. Viele präsentieren sich schon im Erstgespräch mit einer lupenreinen transsexuellen Vita. Wie man so etwas darstellt, kann man im Internet lesen. Deshalb kann das nicht der Maßstab meiner Entscheidung sein. Zumal wir ja wissen, dass sich der Großteil der Geschlechtsdysphorien bei Minderjährigen später wieder auflöst. Korte: Und ich sagen Ihnen voraus: In wenigen Jahren wird es eine Welle von Erwachsenen geben, die der Medizin vorwerfen, wir hätten sie als Jugendliche leichtfertig behandelt und ihre Körper zerstört. Im Ausland gibt es bereits erste Klagen. Einer der wichtigsten ärztlichen Grundsätze lautet: Zuerst nicht schaden. Daran halte ich mich. [...] Korte: Es ist noch schlimmer. Mittlerweile mischen Ärzte und Therapeuten auf dem Feld mit, die von der Sache wenig Ahnung haben oder aber voreingenommen sind. Mir haben Eltern berichtet, ihr Kind sei nach einem halbstündigen Gespräch strahlend mit der Diagnose "Transidentität" aus einer psychologischen Praxis oder Beratungsstelle gekommen samt Adresse eines Arztes, der dann die entsprechenden Hormone verschrieben hat. Das darf nicht sein."

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Der verdinglichte und verdinglichende Teil der Gender Studies darf zweifellos als Cargo-Kult-Wissenschaft im Sinne Feynmans beschrieben werden.

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auch ansonsten volle Zustimmung, besonderer Respekt für Amelung. Der ist jetzt vermutlich ein "token", oder?

Ein bisschen aufpassen sollen wir, da die Ampel da neue Gesetze formulieren will. Nicht, dass am Ende eine Lyssenko-Biologie quasi gesetzlich vorgeschrieben wird.

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