Samstag, 11. Dezember 2021
Notizen 3
Die heutige "Lage am Morgen" auf Spiegel durch Mathieu von Rohr ist ein Ärgernis.

Zitat Spiegel/von Rohr:

"Die russische Erzählung, dass die Nato mit ihrer Erweiterung ein Versprechen nach der Wiedervereinigung gebrochen habe, stimmt nicht: Michail Gorbatschow selbst hat bestätigt, dass darüber bei den Verhandlungen nie gesprochen worden sei. Die ersten Mitglieder des ehemaligen Warschauer Pakts wurden in Absprache mit Russland aufgenommen; es wurde ein Nato-Russland-Rat gegründet. Die Erzählung, Russland sei »eingekreist« worden, kann niemand aufrechterhalten, der eine Weltkarte gesehen hat"

Um es so milde wie möglich zu sagen: von Rohr hat schlecht recherchiert. Wiki hätte genügt:

Der damalige Außenminister der Vereinigten Staaten, James Baker, erklärte am 9. Februar 1990 im Katharinensaal des Kremls in Bezug auf Deutschland:
'Das Bündnis werde seinen Einflussbereich - nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen -, falls die Sowjets der NATO-Mitgliedschaft eines geeinten Deutschland zustimmten.'
oder
ein zunächst geheimgehaltener und 2009 veröffentlichter Aktenvermerk über eine Äußerung Genschers vom 10. Februar 1990 zum sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse lautet:
'BM (Bundesminister): Uns sei bewusst, dass die Zugehörigkeit eines vereinten Deutschlands zur NATO komplizierte Fragen aufwerfe. Für uns stehe aber fest: Die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen.'

Man muss kein "Putin, rette uns!"-Dullie sein, um von Rohrs Darstellung zurück zu weisen. Was soll das? Wem ist damit gedient? Selbstverständlich gab es Zusagen, nur eben keine rechtlich bindenden, sondern lediglich informelle - die in der Politik aber auch zählen. Wie man heute mit Moskau umgehen sollte - andere Frage. Aber diese Geschichtsklitterung ist ungehörig.

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"Wenn man auf den Theatern und Ballsälen Gelegenheit hat, die affektierte Anmut zu beobachten, so kann man oft in den Kabinetten der Minister und den Studierzimmern der Gelehrten (auf hohen Schulen besonders) die falsche Würde studieren." Trifft nach über 200 Jahren immer noch zu, speziell auf unseren akademischen Mittelbau.


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So, und jetzt guck ich die 'dunkelste Stunde'. Historisch ist der Film aberwitzig (Churchill ist nie U-Bahn gefahren, und schon gar nicht, um dort mit einem Schwarzen angelegentlich zu plaudern, Layton war erst ab Mai 1941 seine Sekretärin usf, von größeren Geschichtsbeugungen, etwa der unterschätzten Rolle Labors beim "No", mal zu schweigen). Egal:

Fass, Winnie, fass, fass!

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Viola Priesemann
Spannendes Interview mit Viola Priesemann. Daraus:

"SPIEGEL: Haben Sie sich für die Politikberatung eigentlich selbst beraten lassen?

Priesemann: Kaum. Ich habe immer gehofft, dass es endlich vorbei ist damit. Zudem gefiel mir überhaupt nicht, was ich über Politikberatung am Rande gehört habe: Man müsse dreimal mehr fordern, damit wenigstens das umgesetzt wird, was man für sinnvoll hält. So etwas werde ich garantiert nie machen, weil das meine Glaubwürdigkeit untergraben würde. Ich will als Wissenschaftlerin nicht taktisch kommunizieren. Und ich glaube, dass das langfristig die bessere Strategie ist."

Das ganze Interview kann als Beitrag zur Theorie der Rationalität gelesen werden. Sympathisch auch, dass sie Gegenmeinungen nicht menschlich verdammt - aber klar deren Irrationalität aufzeigt.

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