Freitag, 26. November 2021
Malte Thießen über Seuchen
Spannendes Interview mit Malte Thießen. Daraus:

Frühere Gesellschaften sind fatalistischer mit Pandemien umgegangen - trotz der vielen Toten ist die Hongkong-Grippe relativ spurlos durch die Gesellschaft gezogen. Es gab kaum Medienberichte und auch keine großen politischen Diskussionen. Das hatte damit zu tun, dass die Hongkong-Grippe in das Muster passte, das man damals gewohnt war, nämlich: Alle Jahre wieder gibt es eine Pandemie, und die schlägt vor allem unter Alten und Vorerkrankten zu. Und weil die Hongkong-Grippe als "Grippe" bezeichnet wurde, passte sie auch ins Bild der jährlich wiederkehrenden Influenza.

Das heißt, wir haben auch deshalb so stark auf Corona reagiert, weil wir Pandemien nicht mehr gewöhnt sind?

Ja, wir sind ein Stück weit Opfer unserer medizinischen Erfolge. Wir haben vergessen, dass von Infektionskrankheiten eine breite Bedrohung ausgehen kann.


Und hier. Sehr sympathisch, der Mann:

Sie schreiben in Ihrem Vorwort, beim Abschluss des Manuskripts Ende Juni 2021 habe sich "ein vorläufiges 'Happy End' der Pandemie" abgezeichnet. Wie sehr haben Sie diesen Satz schon bereut?

(lacht) Sehr! Historiker sind in der Tat die letzten, die man nach Prognosen fragen sollte. Dass die vierte Welle kommt, war klar, aber ich dachte, das wird eine kleine Woge, die an der Impfmauer bricht. Ich lag auch mit dem globalen Engagement für weltweite Impfungen im Frühjahr 2021 total daneben. Das ist wieder sehr zurückgegangen, auch wenn alle wissen, dass Corona erst vorbei ist, wenn es überall vorbei ist.

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