Samstag, 4. Dezember 2021
Madagaskar
In Madagaskar hungern 1,3 Millionen Menschen, und der deutsche Michel diskutiert über Klimawandel (ja oder nein) und sein Heiligstes, also sein Geld.

Hier gehts lang.

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Freitag, 3. Dezember 2021
Stalin


Genosse Pieck erläutert:

"Unsere SED ist noch keine Partei neuen Typus, wie sie Lenin und Stalin fordern. Aber sie ist auf dem Wege dazu, es zu werden. Je gründlicher wir dabei das Werk von Marx, Engels, Lenin und Stalin studieren, je sorgfältiger wir uns besonders die Ratschläge aneignen, die Genosse Stalin unmittelbar der deutschen Arbeiterbewegung gab, desto leichter und kürzer wird dieser Weg werden."

Genosse "K.S.", der diesen Schmonzes (es ging wohl aktuell gegen die Linkssektierer in der KPD/ML!) 1971 in West-Berlin neu herausgab, vorwortete:

"Die revolutionären Bestrebungen in der Arbeiterklasse (in Westdeutschland, hf) wachsen unaufhörlich."

Und niemand innerhalb der westdeutschen Linken brach einfach in schallendes Gelächter aus.

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end of something
habe einen längeren Text wieder einkassiert. Alles, was zu sagen war, stand in seinen letzten drei Sätzen:

Ich lese gerade Orwells "1984" wieder, auch seine großartige Satire im Anhang: "Die Prinzipien von Neusprech". Dass die westliche Linke nicht begriffen hat, dass Orwell auch sie meinte, auch ihr etwas zu verstehen geben wollte, und zwar etwas Wahres, ist ihr, der westlichen Linken großes, selbstverschuldetes Unglück. Lang lebe der König!

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Mittwoch, 1. Dezember 2021
Impfpflicht
Ja, herrje.

Ich bin eigentlich immer noch dagegen. Wenn der Pandemie nicht anders beizukommen ist, wird es auf eine Impfpflicht hinauslaufen müssen, aber froh sollte darüber niemand sein. (BTW: Impfpflicht bedeutet nicht Impfzwang; niemand wird da auf einen Stuhl geschnallt o.ä.)

Wirklich bedenklich finde ich die derzeitige öffentliche Unterredung, in der jede und jeder, die und der auch nur wenige Millimeter von der Linie abweicht, erbarmungslos in die Mangel genommen wird.

Svenja Flaßpöhler ist selber geimpft, empfiehlt diese Impfung auch allen Erwachsenen (wobei das deren freie Wahl bleiben müsse), ist sogar für eine partielle Impfpflicht (sic!) bei bestimmten Berufen - nur bei der Kinderimpfung ist sie skeptisch, und sie hatte Fragen, wie weit ein Staat eingreifen darf, und was dem allgemeinen Lebensrisiko zu überantworten ist. Es waren Fragen, die auch schon Nida-Rümelin stellte. Ich bin nicht Flaßpöhlers und Nida-Rümelins Auffassung und denke auch, dass ich argumentativ ausweisen kann, warum ich diese Punkte anders sehe - aber natürlich müssen Flaßpöhler und Nida-Rümelin das sagen dürfen, und natürlich sind die beiden keine Querdullies.

Ergebnis? Svenja Flaßpöhler, so rülpste (ich kanns nicht mehr anders sagen, tut mir leid) ein "Qualitätsmedium", sei eine "Impfskeptikerin, die sich Philosophin nenne". Es wurde sogar problematisiert, solche Leute einzuladen. (Linke Cancle-Culture gibts natürlich nicht, weiß ich, lieber Gessler-Hut, weiß ich, ich grüße Dich!)

Frau Dr. phil Svenja Flaßpöhler, die mit Auszeichnung über ein philosophisches Thema promoviert hat - über eines der wichtigsten überhaupt: über den Subjektbegriff -, derart mies delegitimieren zu wollen finde ich genauso unanständig wie das widerliche Gerede vom "Tierarzt" Wieler, ein Gerede, das die Querdullies gern und laut an den Tag legen. (Prof Dr. Wieler ist Veterinärmediziner, der im Bereich Virologie forscht, sein Forschungsschwerpunkt ist die Mensch-Tier-Schnittstelle; kaum jemand ist so berufen wie er, sich über Corona zu äußern!)

Hier findet etwas sehr ungutes statt.

Wie ich über Corona-Skeptiker denke, darüber habe ich in den letzten eineinhalb Jahren keinen Zweifel gelassen. Und natürlich war das schlimm, wenn Dir Prof Dr Google von der youtube-Universität wieder mal erklärte, dass die schwedischen Zahlen doch viel besser seien als unsere. (Gleichungen mit einer Unbekannten sind Unterstufenmathematik!) Oder wenn man lesen durfte, eine logistische Funktion sei keine Exponentialfunktion, und die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für X hätten doch mit der Bedeutung von X so gar nichts zu tun. (Ein kurzer Blick in die Wikipedia erspart einem zumindest die blamabelsten Fehler, lieber Jörg phil Friedrich!)

Aber die 150%-Drostenianer sind manchmal auch nur schwer zu ertragen. Muss ich einfach so sagen. Ein mir bekannter Mediziner - guess who! -, der seit Beginn der Krise medizinisch in diesem Bereich tätig ist, auf Corona-Stationen gearbeitet hat, als Notarzt tätig war, und der ganz gewiss auf Drostens, Wielers und Brinkmanns Seite ist, erzählte mir mal: in einer internen facebook-Gruppe - "pro Drosten" oder so ähnlich - habe er jemanden mal auf eine medizinische Ungenauigkeit hingewiesen. Ergebnis: Blockieren, böser Querdenker, geh doch auf eine Querdusseldemo etcetc.

Das geht so nicht, da läuft was schief! Und das hat auch mit Corona-Politik zu tun. Die 5 %-hardcore-Idioten (Corona wurde von Merkel erfunden, damit______bitte nach eigenem Gusto ergänzen) erreiche ich sowieso nicht. Aber die noch Erreichbaren verhärte ich, wenn ich selber zu Tricks und Flunkereien "im Namen des Guten" greife.

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Dienstag, 30. November 2021
Gümüsay
Vielleicht sollte die Bundeszentrale, anstatt Leuten wie Gümüsay Raum zu geben, Orwells "1984" kostenlos verteilen. Auch für Gümüsay selber wäre das von Vorteil: Wenn sie nicht mehr für die Bundeszentrale arbeiten muss, hat sie noch mehr Zeit für Milli Görüs. An Geld mangelt es bei Milli Görüs mit Sicherheit nicht. Bis dahin empfehle ich, sofern man sich nicht gleich ans Original hält, die mit 8.- Euro preiswerte Reclam-Ausgabe; in der Neuübersetzung von Holger Hanowell. Und immer daran denken, für unseresgleichen gilt weiterhin: Altdenk unbauchfühl Engsoz! Kübra doppelplusgut!

PS: hat irgend jemand eine brauchbare Idee, warum die Linke das Offenkundige nicht sieht?

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Samstag, 27. November 2021
Markus Gabriel: Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten
Ich bin mit dem Buch nicht wirklich glücklich geworden.

Disclaimer: Ich habe es mir bei der Bundeszentrale erst besorgt, nachdem ich Christian Weidemanns vernichtende Rezension (die innerhalb der 'Szene' ja die Runde machte) gelesen habe. Ich wollte wohlwollend lesen, dachte auch ein bisschen an den Neid und die Häme, an denen in der akademischen Szene ja kein Mangel ist. Leider, muss ich sagen, hat Weidemann im wesentlichen Recht.

Zunächst einmal: ich kann so gut wie alle konkreten moralischen Thesen Gabriels unterschreiben. Humanismus, Universalismus, gegen Moralrelativiererei - für den Hausgebrauch ist das nicht schlecht. Eine Gabriel-Welt ist wohl eine, in der zu leben, gut zu leben ich mir im Großen und Ganzen vorstellen könnte; Differenzen können dann ja in einer seriösen, von gegenseitiger Achtung geprägten Debatte geklärt werden. (Ist überhaupt eine zwar grobe, aber ganz gute, weil zielführende Methode für einen Laien, einen moralphilosophischen Text zu bewerten: Möchtest Du in der Welt, die dort entworfen wird, gerne leben?) Da gibt es sozusagen nicht viel zu meckern, wenn ichs mal norddeutsch sagen darf. (Ja gut, die verunfallte Schwimmbadgeschichte, bei der Gabriel vergessen hat, die Perspektive der Kassiererin einzunehmen... Darf nicht passieren! Geschenkt, auch wenns peinlich war.)

Moralphilosophisch wird es schwieriger. Seinen starken Realismus würde ich so nicht mitmachen, und das Mackie-Problem präsentiert er deutlich unterkomplex. Ich selber, das sei hier ohne Argument zum besten gegeben, bin 'Wahrheitswert-Realist, ich halte moralische Urteile für zustimmungs- und somit wahrheitswertfähig. Mehr braucht es m.E. nicht. Allerdings m.E. auch nicht weniger. Ich könnte mit einem starken moralischen Realismus leben, aber er begründet ihn nicht. Weidemanns Kritik daran, dass Gabriel seine Begriffe sehr unsauber einführt und kaum argumentiert, ist leider zutreffend, auch die wohlwollende Interpretation rettet ihn nicht: Sicher, Gabriel schrieb ein populärwissenschaftliches Buch. Was er jeweils adressiert ist allen, die die Debatten so halbwegs kennen, klar. Aber in der Tat: "So geht es nicht!" (Weidemann)

Universalismus ist kein Eurozentrismus - richtig! (Übrigens schon faktisch nicht: das afrikanische Ubuntu, der chinesische Konfuzianismus, younameit waren und sind ebenfalls on the road to real universalism. Und mehr als on the road ist der Westen ja nun auch nicht...) Seine scharfe Kritik am Kulturrelativismus kann ich einerseits mitmachen. (Nein, Frauenbeschneidung, mein Beispiel, muss nicht "kulturwissenschaftlich interpretiert" werden - Frauenbeschneidung ist schlicht und einfach falsch, punkt. Wer es mir nicht glaubt fragt eine Frau, sofern er eine kennt.) Zugleich aber unterschlägt Gabriel die Dimension Geschichte/Geschichtlichkeit. Geschichtsphilosophisch haben wir hier die 6-Millionen-Dollar-Frage vorliegen. Humanität gilt immer und überall und galt letztlich auch immer und überall (da gehe ich mit Gabriel mit), zugleich haben wir die Existenz geschichtlicher Bedingtheiten zu akzeptieren (ansonsten sollten wir Kants Werke tatsächlich verbrennen; die aus heutiger Sicht völlig indiskutablen Schriften über 'Menschenracen' existieren ja nun mal). Just Kant selber hat interessante Antworten gegeben darauf, wie wir das dialektische Verhältnis zwischen geschichtlicher Bedingtheit und moralischer Unbedingtheit ausdeuten können; Gabriel hätte gut daran getan, noch einmal zur "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" zu greifen. Ja, aus moralischer Perspektive war es, Gabriels Beispiel, auch 1880 falsch, Kinder zu schlagen. Aus Gattungsperspektive muss man sagen: Es war damals leider so, man glaubte, das richtige zu tun, und es kann dargestellt werden, warum die humane Perspektive damals (noch) unvollkomen(er) entwickelt war (als heute). Nicht zuletzt aus dieser Zwitternatur des Menschengeschlechts - wir sind moralische Wesen und zugleich heteronom (kulturell, sozial, geschichtlich, ökonomisch, geschlechtlich, biologisch) bestimmte Naturwesen - erwachsen ja all unsere Probleme. Ein kleiner Schuss Ranke (und ein sehr großer Schuss Kant!) täte uns allen gut.

Schwierig wird es auch bei seiner Kritik an der Postmoderne. Über social-warriors, die ihre Angriffe auf Andersdenkende mit schlecht angelesener postmoderner Theorie befeuern ("Wer Rassist ist, bestimme ich" herrmanngöringt es aus ihnen), müssen wir nicht reden. Die Preisgabe der Kategorie Tatsache haben viele - darunter auch ein blutjunger Hamburger Philosophiestudent - schon damals in den End80ern für unselig gehalten. Bekanntlich von ganz unterschiedlichen Standpunkten aus. To drop some names: Ian Hacking, Thomas Nagel, Martha Nussbaum. Soweit, so d'accord. Aber Gabriel übersieht, dass die Postmoderne ihre Verdienste hat. Was er kritisiert, und in dieser Schärfe auch zu recht kritisiert, ist die Postmoderne im Zustand ihrer Verhunzung. Sozusagen verdinglichter Derrida. Aber der Komplexität 'der' Postmoderne (die es als 'die' Postmoderne ohnedies nicht gibt) wird er nicht gerecht. Seine Darstellung Rortys ist nun wirklich bloße Karikatur, das geht so nicht. Rortys liberale Ironikerin ist denn doch komplexer.*

Empfehlung? Schwierig. Man wird nicht dümmer durch die Lektüre. Aber wird man klüger? Studentinnen und Studenten der Philosophie jedenfalls ist eher abzuraten, zumindest dann, wenn sie auf der Suche nach forschungsrelevanter Literatur sind.

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* ganz unabhängig von Gabriel (okay, der ist jetzt böse!) erleben wir derzeit, seit einigen Dekaden letztlich, ja eine Renaissance realistischer Sichtweisen in der Philosophie; explizit gegen die cultural turns. Da die cultural turns in den Kulturwissenschaften weiterhin maßgebend sind, erwachsen daraus nicht unbeträchtliche Spannungen zwischen KuWi und Philo. Beim 'Fall' Kathleen Stock geht es eben auch um Realismus versus Postmoderne (derzeitiger Philosophie-Mainstream versus derzeitiger KuWi-Mainstream). Stock agiert explizit als Realistin, und ihre Position sollte auch so gelesen werden.

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